Regensburg – wo sind deine Studierenden?

Es ist still geworden um unsere jungen Leute. Die Medien kümmern sich überwiegend um die Risikogruppe über Achtzig. Kinder in Kitas, Kindergarten und Schulen haben durch ihre Eltern eine starke Lobby und entsprechend viel mediales Aufsehen. Aber was ist mit unseren Studierenden passiert? Interessiert das niemanden? Scheinbar nicht! Man sperrt sie weg bzw. lässt sie nirgends rein, weder in die Kneipen, Clubs und schon gar nicht in die Unis und Hochschulen. Im Sommer zeigten sie sich zum Ärgernis vieler noch im Stadtbild, aber der dunkle Winter, Ausgangssperre, Androhungen von Bußgeldern und die wenigen erlaubten sozialen Kontakte machen sie unsichtbar. Corona hat ihnen fast alles genommen was das Studentenleben ausmacht: den Campus, die Kommilitonen, das Auslandssemester, wissenschaftliches Arbeiten, das gemeinsame Lernen, Feiern und Zukunftsperspektiven.

Stattdessen sitzen oder liegen sie zu Hause, oftmals noch im warmen Bett, schauen stundenlang in ihre Laptops und lauschen mehr oder weniger begeistert den Professoren. Das kann ganz schön eintönig, entsprechend ermüdend und vor allem wenig motivierend sein. Und das ist derzeit die schwerste Disziplin: sich täglich aufs Neue zu motivieren! Zwei Semester, fast ein ganzes Jahr, lässt man die geistige Elite allein, nimmt ihnen die Jobs, mit denen sie sich den Lebensunterhalt (mit)finanziert haben. Die Regierung zählt auf die finanziell potenten Eltern, wenn sie gönnerisch kundtut, dass die Semester nicht zur Regelstudienzeit gerechnet werden. Soll heißen, stresst euch nicht, liebe Studierenden. Eltern, die aufgrund von Kurzarbeit z.B. mit Bafög spekulieren, geben dieses Vorhaben spätestens bei der Antragstellung auf! Durchschnittlich 40 Seiten mit den nicht immer griffbereiten Anlagen!!!

Regensburg mit seinen knapp 35.000 Studierenden ist aktuell eine Geisterstadt, selbst der RVV hat den Busfahrplan zum Campus eingestellt. Hoffentlich stellen nicht viele ihr Studium aus purem Frust ein. Zu befürchten ist es, meinen selbst Professoren, aber unsere Gesellschaft kann sich diesen Luxus offenbar ohne weiteres leisten? Diese jetzt so vergessene Jugend wird die nächsten Jahrzehnte die Fördergelder, Finanzspritzen und Soforthilfen zurückbezahlen. Besten Dank schon jetzt! Umarmen dürfen wir uns ja nicht mehr.

Was bedeuten die Corona Maßnahmen konkret für die Studierenden?

Antonia (20), 1. Semester Kunstgeschichte

„Der Studiengang Kunstgeschichte wird mit vielen Exkursionen beworben, diese können wegen der aktuellen Lage leider nicht stattfinden, was ein sehr wichtiger wegfallender Punkt für die Studierenden ist, da die Gemälde/Skulpturen/architektonischen Werke etc. auf Bildern nun einmal eine ganz andere Wirkung auf den Betrachter haben als sich direkt vor Ort.

Bis jetzt habe ich noch nicht einmal meine Professoren in echt gesehen. Virtuell nehmen sich meine Professoren/innen und Dozenten/innen gottseidank viel Zeit für uns Erstsemester, sie antworten schnell auf Emails, wenn wir Fragen haben und bei größeren Fragen können wir Termine via Zoom mit ihnen vereinbaren. Wir Studierenden haben eine WhatsApp Gruppe, in der wir uns gegenseitig austauschen.“

Cosima (20), 5. Semester Rechtswissenschaften

„Normalerweise lerne ich nicht von zu Hause, sondern meist in der Bibliothek. In der Bib herrscht eine intensive Lernatmosphäre, was ich von meiner WG nicht zu 100% sagen könnte. Abgelenkt durch das eigene Zimmer, die Mitbewohner. Der Alltag in der Bibliothek: 10-18 Uhr, davon ca. 2,5 h Pause. Daheim ist es schwierig sich zu disziplinieren.

Die Bibliothek hat ein Hygienekonzept entwickelt, welches auch vor dem 2. Lockdown funktioniert hat. Darum wäre es für viele hilfreich, durch z.B. Platzvergabe, Online-Anmeldung, wenigstens die Bibliotheken wieder zu öffnen, um einen Platz zu schaffen, in dem sich die Studenten auf ihre Klausuren, Seminararbeiten, Bachelorarbeiten, etc. vorbereiten können. 

Anfangs war ich von dem Konzept Onlinesemester angetan, inzwischen ist es mehr Ballast als Spaß. Aber das liegt vermutlich mehr an der Gesamtsituation als am Onlinesemester :D. Du kannst dir deine Zeit so einteilen wie du gerne möchtest. Vorlesungen müssen weder zum festgesetzten Termin angeschaut werden noch an einem bestimmten Ort. Du musst nicht extra in die Uni fahren, vor allem im Winter ist das sehr praktisch. Meine Professoren habe ich in natura im Februar 2020 gesehen!“

Viktoria (22), 2. Master-Semester,  Internationale Beziehungen und Diplomatie
(zuvor sechs Bachelorsemester Volkswirtschaftslehre)

„Ich habe in meinem Studium auf viel Internationalität gehofft und die auch vollumfänglich bekommen. Meine Professorinnen und Professoren haben Wurzeln in Nigeria, dem Iran, Italien, Brasilien und haben lang in China, den USA und Großbritannien gelebt. Sie decken die halbe Welt ab, was mir ein großartiges Studium, auch über Skype ermöglicht.

Ich studiere in Den Haag, in den Niederlanden und hätte dort gern an öffentlichen Internationalen Gerichtsverfahren teilgenommen und zahlreiche niederländische NGOs kennengelernt. All das war leider nicht möglich, nach 14 Tagen im März 2020 in Den Haag musste ich zurück nach Hause nach Regensburg.  Ich habe das definitiv aus Kostengründen getan. In Den Haag ist seit März letzten Jahres (Studienbeginn) genauso tote Hose wie hier. Da verpasse ich wenig. Von zuhause studieren spart eine Unmenge an Geld. Mit einem verschobenen Praktikum, das in Uruguay geplant gewesen wäre und ganze 10 Monate ohne Miete, da ich mich sofort um eine Nachmieterin gekümmert habe, ist da schon etwas zusammengekommen. Das erlaubt mir jetzt, wieder eine Zeit lang vom Ausland aus zu studieren.“

Elisabeth (21), 4. Semester Regenerative Energietechnik und Energieeffizienz

„Das online-Studium hat tatsächlich nicht nur Nachteile. Durch die flexibleren Zeiten, die enorme Zeitersparnis durch den Wegfall der Hin-/ und Rückwege oder die doch oft längeren Pausen mit KommilitonInnen bleibt mehr Zeit zum Lernen. Jedoch brauchen wir auch alle seit den online-Semestern für alles viel länger. Für Erklärungen, die in Präsenz viel schneller und einfacher vermittelt werden könnten, für Vorlesungen (durch das ständige Anhalten und zurückspulen) oder auch für Übungen, die man mittlerweile auch oft alleine macht. Der Kontakt zu den anderen ist sehr spärlich. Es ist auf Dauer nicht einfach, bis zu 12 Stunden täglich alleine in seinem Zimmer zu sitzen und den ganzen Tag auf seinen PC oder ähnliches zu starren. Es ist für viele richtig schwer sich zu motivieren und am Ball zu bleiben. Der Austausch (wie er in Präsenz war) mit den anderen geht sehr ab. Alles was eigentlich auch dazugehört (Fachschaftsfeiern).

Ich persönlich habe mir unter meinem Studium nicht nur das Lernen und die ganzen Vorlesungen vorgestellt, sondern auch das Knüpfen von neuen Freundschaften, das Wahrnehmen der vielfältigen Angebote der Hochschule wie z.B. die Themenwochen, der Universitätssport, zahlreiche Praktika und die vielen neuen Erfahrungen die man sammeln kann. Durch die aktuelle Situation fallen alle diese Dinge weg.

Sophie (22), 1. Semester Master Erneuerbare Energien

„Ich bin für mein Masterstudium im Oktober extra von Regensburg nach Freiburg gezogen, hoffte ich Präsenzveranstaltungen zu haben und dort viele neue Leute kennenzulernen. Ich konnte zwar zumindest am Anfang ein paar Leute kennenlernen, aber habe keine Präsenzveranstaltungen und das Einleben ist schwierig.

Vorteil ist, dass nun öfter nach Regensburg kommen und mich weiterhin hier in meinen Vereinen engagieren und mir meine Zeit besser selber einteilen kann, da viele Vorlesungen als Videos aufgenommen werden. Ich verbringe dadurch mehr Zeit in Regensburg als gedacht, werde aber mein Studium trotzdem auch vor Ort in Freiburg weiterführen.

Egal an welcher Uni und egal in welchem Studiengang: ich höre immer wieder, dass die Informationen sehr kurzfristig an Studierende weitergegeben werden, also die Kommunikation häufig schlecht ist und es deshalb schwierig ist sich zum Beispiel zu überlegen, wo man am besten wohnen sollte. Außerdem geht durch das Online Studium vieles an Kommunikation zwischen Professoren und Studierenden verloren, was die Prüfungsvorbereitung erschwert. Auch das gemeinsame Lernen mit den Kommilitonen fehlt.“

Fotoquelle: Universität Regensburg, deacademic.com

Text: Claudia Fritsch

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